Interlaken: Trachten nähen fürs Unspunnen-Fest – Region: Oberland

«Für das Unspunnenfest 2017 muss ich noch drei komplette Trachten nähen. Das wird knapp, aber es wird fertig», erklärt Trachtenschneiderin Malou Balmer (69) in ihrem Atelier an der Unteren Bönigstrasse, Interlaken. Seit 2003 im Ort wohnhaft, habe sie bereits vor dem Unspunnenfest 2005 eine hektische Phase erlebt. Balmer: «Damals verschob man das Fest wegen des Hochwassers auf 2006, und ich dachte, nun hätten alle Leute ihre Tracht. Doch auch 2006 wurde es wieder gleich stressig.» Sie nehme es gelassen; immerhin habe sie dreissig Jahre Erfahrung im Trachtenschneidern und nähe sehr gern von Hand, so Balmer.

Fünfzig Arbeitsstunden

«An einer Tracht wird fast alles in Handarbeit gefertigt, nur die Stäb­li im Mieder steppt man mit der Nähmaschine ein», erklärt Balmer und zeigt eine Berner Sonntagstracht, an der sie etwa fünfzig Stunden gearbeitet hat. Der Arbeitsgänge sind viele: Den Stoff zuschneiden für Mieder, Bluse, Jupe und Schurz; Fächli mit Seitensatin auskleiden, schwarze Spitze aufs Mieder nähen oder es mit Blumen be­sticken.

Das Mühsamste sei, die Häkchen ins Mieder einzunähen. «Genauigkeit im Detail ist mir wichtig. Ich mache fast alles allein, doch vor dem Fest braucht es helfende Hände», so Balmer. Sie habe eine ‹gute Fee› vom Hasliberg, die die aufwendigen Hohlsäume der Blusen stickt; zwei Freundinnen säumen die Kleider.

Interlakner Edelweisstracht

Um die Ehrendamen am Fest er-kennbar zu machen, hat Balmer im Auftrag des Unspunnenvereins eigens die Interlakner Edelweisstracht entworfen. «Diese ist funktional, praktisch und mit 800 Franken preiswert», sagt Balmer.

Doch wurden unerwartet kritische Stimmen von Trachtenleuten laut: «Man sagte etwa, die Edelweisstracht sei nur ein Dirndl und verdränge die traditionelle Tracht.» Dies sei jedoch nie die Absicht gewesen; die Edelweisstracht diene nur dem ak­tuellen Anlass und Zweck. «Auch bei den Jodlern gibt es übrigens immer mal wieder neue Töne», meint Balmer.

Trachten früher und heute

Wie viele Trachten sie pro Jahr näht, kann Malou Balmer nicht sagen: «Ich habe aufgehört zu zählen.» Die siebzig Trachten des Kantons Bern, deren Beschreibungen in den Statuten der Bernischen Trachtenvereinigung verankert sind, blieben gleich, ebenso die Arbeit daran. Verändert habe sich jedoch die Qualität der Stoffe: «Früher war etwa der Samt dichter gewoben und dadurch langlebiger», weiss Balmer. Immerhin halte eine Tracht auch heute noch etwa sechzig bis siebzig Jahre.

Balmer liebt es auch, alte Trachten neu aufzufrischen, etwa wenn eine Grossmutter ihr Prachtstück der Enkelin vererbt. «Meine Kundschaft ist querbeet. Besonders freut es mich, wenn die Jugend aus Kinderchören und Trachtengruppen sich bei mir einfindet», sagt Balmer und ergänzt: «Anlässe wie das Unspunnenfest tun gut, damit wir unsere Traditionen und unsere Identität nicht verlieren.»

An den Festtagen wird Balmer helfend zur Verfügung stehen: «Ein Riss oder ein Flecken im Kleid, ein verlorener Knopf oder abgerissene Säume: Im Geschäft am Höheweg biete ich einen Pannendienst mit Soforthilfe für Trachtenleute an.» Am Fest will die Trachtenschneiderin zudem ihre eigenen Trachten ausführen: «Zur Auftischete am Montagabend trage ich die unkomplizierte Waadtländer Tracht; am Galaabend und am Jodlerkonzert ziehe ich die mit Blumen bestickte Münger-Festtagstracht an.»

Trotz Festtagsstress sieht Malou Balmer Licht am Ende des Tunnels: «Per 30. September übergebe ich mein Trachtenatelier in jüngere Hände. Eine junge Trachtenschneiderin aus dem Emmental wird, gemeinsam mit einer Damenschneiderin, ein Atelier auf dem Bödeli eröffnen.» Sie wolle endlich Zeit haben für ihre Hobbys wie etwa Reisen oder Fischen.

«Was von meinem Beruf bleibt? Ich werde weiterhin für Kundinnen Mieder besticken», so Malou Balmer. (Berner Oberländer)

Erstellt: 12.08.2017, 13:04 Uhr

„Kreuzstich Neumünster“ : Ein Kunstwerk mit drei Ansichten

Das neue Kunstwerk an der Lärmschutzwand an der Altonaer Straße kommt in Wittorf gut an.

Neumünster | Seit Dienstag ist das Kunstwerk „Kreuzstich Neumünster“ des Berliner Künstlers Hansjörg Schneider in seiner vollen Ausdehnung von 25 mal 4,40 Metern an der Lärmschutzwand der Altonaer Straße zum Ochsenweg hin zu sehen. Und nicht nur Wittorfs Stadtteilbeiratsvorsitzende Sabine Krebs ist begeistert. Den Wittorfern und anderen Neumünsteranern gefällt das Kunstwerk offenbar auch. „In natura und in der Größe ist es noch viel schöner als im Entwurf. Wir vom Stadtteilbeirat haben schon viele positive Rückmeldungen erfahren“, sagte Sabine Krebs.

Je nach Entfernung des Betrachters gibt der Aufdruck auf insgesamt 27 aluminiumbeschichteten Kunststoffplatten ganz unterschiedliche Sichten frei. Von ganz Nahem nimmt man nur die Pixelstruktur wahr. Tritt man etwas weiter zurück, wird das textile Schnittmuster „Kreuzstich“ deutlich. Und erst aus etwa 30 Metern Entfernung von der Oderstraße aus werden der Schriftzug „Neumünster“ und ein Richtungspfeil erkennbar, der die auswärtigen Besucher des Designer-Outlet-Centers von MacArthur Glen zum Besuch der Innenstadt anregen soll.

Hansjörg Schneider (Jahrgang 1960) zeigte sich mit dem Ergebnis ebenfalls sehr zufrieden. Der Künstler lebt und arbeitet in Berlin, stammt aber aus dem Norden und kennt daher Neumünsters Vergangenheit als Textilstadt in Schleswig-Holstein.

Hansjörg Schneider ist gebürtiger Eckernförder und studierte Freie Kunst in Kiel an der Muthesiusschule.

Quelle:

www.shz.de

EXTRA TIPP-Jacke nähen: Designer Radames Eger im MTW zeigt, wie’s geht

Region Rhein-Main – Andere werfen ihre kaputten Regenschirme in den Müll, Radames Eger schneidert daraus Klamotten für Obdachlose. Wie man die EXTRA TIPP-Zeltjacke selbst nähen kann, hat der Designer in seinem Workshop „Start Giving Love“ im Offenbacher MTW Club gezeigt. Von Anna Scholze

Radames Eger ist kein gewöhnlicher Modedesigner[1]. Seine Kreationen sollen Menschen miteinander verbinden und Wohnsitzlosen den rauen Alltag erleichtern. So wie das Zelt seiner zweiten Kollektion für Obdachlose. Es ist gleichzeitig Jacke und Tasche und soll im Winter gegen Kälte und Nässe schützen. Eger hat es aus Dankbarkeit für die langjährige Unterstützung nach unserer Zeitung „EXTRA TIPP“ benannt.

Damit möglichst viele Wohnungslose das Modestück erhalten, das schon im Museum für Angewandte Kunst in Köln zu sehen war[2], hat Eger zum Workshop „Start giving love“ geladen. Im Offenbacher Club MTW zeigte er, wie vier gleichschenklige Dreiecke aus alten Regenschirmhäuten[3] das Dach des Zeltes ergeben. Der Boden besteht aus dicker Plastikplane, Ärmel verzieren den Eingang und Reißverschlüsse die Plane. Liegt die Behausung auf dem Kopf, kann der Zelt-Jacken-Taschen-Träger in die Ärmel schlüpfen und das vielseitige Kleidungsstück schließen. Praktisch: Von der Unterseite und der Mitte dient es als Tasche. 

Fotos: Designer Radames Eger gibt Workshop im MTW

Zur Fotostrecke[4]

In seinem Kampf für Obdachlose[5] weiß Eger ein Netzwerk aus Mitstreitern hinter sich. Freundin Cat setzt sich als Markenbotschafterin für die Sache ein und auch die DJs des Abends zeigen sich von dem Eger-Projekt „Restart Thinking – eine Kollektion für Obdachlose“ überzeugt. Auch Étienne und Chris Kirmayer wollten mithelfen. „Sie haben mir ihre Gage gespendet“, erzählt Eger. 

Seine Entscheidung, den Workshop im MTW zu veranstalten, ist nicht allein der Zusammenarbeit mit Hassan Ahmed, DJ der Tanz-Location, geschuldet. „Ich habe mir diesen Ort ausgesucht, da er sich in der Stadt des EXTRA TIPPs befindet“, sagt der Ausnahme-Designer. Aber auch die Unterstützung lokaler Künstler liegt ihm am Herzen. So verleiht das DJ-Trio „SynapsenZirkus“ mit seiner Kunst der Veranstaltung zusätzlichen Pep.

Materialien für die Zelt-Jacke-Tasche, wie etwa alte Regenschirme, nimmt der gelernte Modeschneider gerne entgegen. Jeder, der einen Schlechtwetter-Begleiter spenden und damit Obdachlosen helfen möchte, sendet eine E-Mail an radames-eger-couture@ok.de.

Der Schrank ist voll und trotzdem gibt’s nichts anzuziehen: Ein alltägliches Problem, das besonders Frauen kennen. Was passiert, wenn man eine Woche das Gleiche trägt, hat EXTRA TIPP-Volontärin Katrin Greschner in der Serie „Anders leben“ getestet[6].

Korrekt gekleidet – Ökologisch und fair shoppen

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Vertraute Hässlichkeit – Deutschland – Badische Zeitung

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12. August 2017

Bundeskanzlerin Angela Merkel, in der DDR aufgewachsen, besucht die Gedenkstätte im früheren Gefängnis der Staatssicherheit.

BERLIN (AFP). Irgendwann fällt Angela Merkel ein wenig aus der vertrauten Rolle. Bei ihrem Besuch im früheren Stasi-Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen wird aus der Bundeskanzlerin plötzlich eine Art Museumsführerin. Sie sagt „wir DDR-Bürger“ und erläutert der aus Westfalen stammenden Monika Grütters, die Merkel als Regierungsbeauftragte für Kultur und Medien begleitet, die Währungstauschregeln für DDR-Touristen im sozialistischen Ausland. Die im brandenburgischen Templin aufgewachsene Merkel hatte mit den Oppositionellen in der DDR bis kurz vor der Wiedervereinigung nichts zu tun und auch nichts mit dem Staatssicherheitsdienst. Dennoch weckt der Besuch in dem grauen Betonkomplex im Osten der Hauptstadt, der heute eine Gedenkstätte ist, Alltagserinnerungen bei der 63-Jährigen.

Auch Gedenkstättendirektor Hubertus Knabe bekommt von seinem prominenten Gast zu hören, wie vertraut ihr diese „Hässlichkeit“ sei. Der Ort weckt auch ganz banale Erinnerungen. Auf den langen Fluren zwischen den Zellen riecht es noch immer nach dem damals allgegenwärtigen Reinigungsmittel Wofasept. Die Wandfarben sind unverändert. Auf dem Gefängnishof stehen DDR-Fahrzeuge.

„So haben wir das damals gemacht“, sagt Merkel etwa mit Blick auf einen ausgestellten selbst gefertigten Rock, dessen Besitzerin westliche Schnittmuster imitieren wollte. Grütters zeigt sich nach dem einstündigen Besuch bewegt, weil die Kanzlerin mit ihren „DDR-geschulten Augen sehr persönlich erzählt“ habe.

Der Bund und das Land Berlin investieren 8,8 Millionen Euro, um die von Mauern und Wachtürmen umgebene Gedenkstätte in ihrer Authentizität zu erhalten. Mit rund 500 000 Besuchern im Jahr stößt Hohenschönhausen auf enormes Interesse. Auch weil mehr als jede zweite Führung von ehemaligen Insassen geleitet wird.

Einer von ihnen ist Arno Drefke. Der 83-Jährige war bis 1962 zehn Jahre in Stasi-Gewahrsam, weil er sich in einem antikommunistischen Jugendverband engagiert hatte. „Ich habe ’54 erlebt, wie in der Nachbarzelle ein Todeskandidat war“, sagt er. An diesen Mann habe er denken müssen, als er mit der Kanzlerin einen Kranz am Denkmal für die „Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft“ niederlegt.

Merkel fragt viel nach, erkundigt sich bei jedem ehemaligen Insassen, der ihr begegnet. Merkel habe sich vor allem dafür interessiert, aus welchen Verhältnissen die DDR-Oppositionellen stammten, sagt Knabe. Die Pastorentochter hatte sich zu DDR-Zeiten auf ihre naturwissenschaftliche Karriere konzentriert, und es war zu vermuten, dass sie zumindest bei einigen der einstigen Unangepassten aneckt. Tatsächlich erwarten etwa 30 Demonstranten die Kanzlerin bei ihrer Ankunft vor dem Gefängnis. Es sind DDR-Flüchtlinge, die sich von der für sie gültigen Rentenregelung diskriminiert fühlen.

Merkel sucht auf Anraten Knabes das Gespräch mit den Demonstranten und sichert ihnen zu, sich mit dem Thema zu beschäftigen. „Sie hat so getan, als ob sie das Problem nicht kennt“, sagt einer der Demonstranten, Siegfried Ulrich. Die Ausgereisten und Freigekauften sind auch nach dem Gespräch noch skeptisch – aber überrascht vom offenen Ohr der Kanzlerin.

Autor: afp

Das Nähzimmer ist auch in den Ferien offen

Neukirchen-Vluyn. Die Einrichtung der Tuwas-Genossenschaft an der Hochstraße lädt Jung und Alt zum Schneidern ein.

Die Kurse im Nähzimmer der Tuwas-Genossenschaft in Neukirchen an der Hochstraße 10 gehen über den Sommer hinweg weiter und bieten ein ganz besonderes Erlebnis an. Jung und Alt können sich zu einem Anfänger-Nähkurs im Nähzimmer anmelden.

Klara Maria Krummeich leitet an, zeigt spielerisch mit leichter Hand, wie modische Taschen geschneidert werden können, oder wie man alte Textilien selbst reparieren, oder spielerisch nähen lernen kann, erste Schritte um etwas nach Wunsch selber herzustellen.

Der Kurs findet Samstag 14-tägig auch in der Ferienzeit statt. Wem der Name Klara Maria Krummeich bekannt vorkommt, der kennt sie aus dem Krankenhaus, dort stickt sie auf Wunsch der Eltern, den Neugeborenen ihren Namen auf den ersten Babyschlafsack.

Alle Kurse im Programm finden im Nähzimmer in Neukirchen statt. Fußläufig ist eine Eisdiele und ein Café in der Nähe, für die verdiente Pause zwischendurch. Dass Nähzimmer der Tuwas-Genossenschaft in Neukirchen an der Hochstraße 10, baut seinen Programm auch weiter aus. Neu ist auch ein Unterstützungsangebot, ohne Voranmeldung immer Donnerstags nachmittags von 14 bis 19 Uhr, Änderungen mit Unterstützung und Hilfe. Neben dem Kursangebot ist die offene Nähwerkstatt bereit, hier kann jeder selber Nähen mit Nutzung der Einrichtung wie Nähmaschinen, Bügelstation, Kurzwarenangebot wie immer geöffnet.

Öffnungszeiten sind montags, dienstags, mittwoches und freitags von 10 bis 14 Uhr und donnerstags von 14 bis 20 Uhr. Sondertermine für Gruppen können vereinbart werden unter 02845 3973575 oder per Email „projektladen@tuwas-genossenschaft.de[1]„. Weitere Infos unter unter www.tuwas-genossenschaft.de[2]. Das Kursprogramm liegt in Neukirchen-Vluyn und Moers an vielen öffentlichen Stellen aus.

Quelle: RP

Fußnoten:

  1. ^ projektladen@tuwas-genossenschaft.de (www.rp-online.de)
  2. ^ www.tuwas-genossenschaft.de (www.tuwas-genossenschaft.de)

Vertraute Hässlichkeit – Deutschland – Badische Zeitung

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12. August 2017

Bundeskanzlerin Angela Merkel, in der DDR aufgewachsen, besucht die Gedenkstätte im früheren Gefängnis der Staatssicherheit.

BERLIN (AFP). Irgendwann fällt Angela Merkel ein wenig aus der vertrauten Rolle. Bei ihrem Besuch im früheren Stasi-Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen wird aus der Bundeskanzlerin plötzlich eine Art Museumsführerin. Sie sagt „wir DDR-Bürger“ und erläutert der aus Westfalen stammenden Monika Grütters, die Merkel als Regierungsbeauftragte für Kultur und Medien begleitet, die Währungstauschregeln für DDR-Touristen im sozialistischen Ausland. Die im brandenburgischen Templin aufgewachsene Merkel hatte mit den Oppositionellen in der DDR bis kurz vor der Wiedervereinigung nichts zu tun und auch nichts mit dem Staatssicherheitsdienst. Dennoch weckt der Besuch in dem grauen Betonkomplex im Osten der Hauptstadt, der heute eine Gedenkstätte ist, Alltagserinnerungen bei der 63-Jährigen.

Auch Gedenkstättendirektor Hubertus Knabe bekommt von seinem prominenten Gast zu hören, wie vertraut ihr diese „Hässlichkeit“ sei. Der Ort weckt auch ganz banale Erinnerungen. Auf den langen Fluren zwischen den Zellen riecht es noch immer nach dem damals allgegenwärtigen Reinigungsmittel Wofasept. Die Wandfarben sind unverändert. Auf dem Gefängnishof stehen DDR-Fahrzeuge.

„So haben wir das damals gemacht“, sagt Merkel etwa mit Blick auf einen ausgestellten selbst gefertigten Rock, dessen Besitzerin westliche Schnittmuster imitieren wollte. Grütters zeigt sich nach dem einstündigen Besuch bewegt, weil die Kanzlerin mit ihren „DDR-geschulten Augen sehr persönlich erzählt“ habe.

Der Bund und das Land Berlin investieren 8,8 Millionen Euro, um die von Mauern und Wachtürmen umgebene Gedenkstätte in ihrer Authentizität zu erhalten. Mit rund 500 000 Besuchern im Jahr stößt Hohenschönhausen auf enormes Interesse. Auch weil mehr als jede zweite Führung von ehemaligen Insassen geleitet wird.

Einer von ihnen ist Arno Drefke. Der 83-Jährige war bis 1962 zehn Jahre in Stasi-Gewahrsam, weil er sich in einem antikommunistischen Jugendverband engagiert hatte. „Ich habe ’54 erlebt, wie in der Nachbarzelle ein Todeskandidat war“, sagt er. An diesen Mann habe er denken müssen, als er mit der Kanzlerin einen Kranz am Denkmal für die „Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft“ niederlegt.

Merkel fragt viel nach, erkundigt sich bei jedem ehemaligen Insassen, der ihr begegnet. Merkel habe sich vor allem dafür interessiert, aus welchen Verhältnissen die DDR-Oppositionellen stammten, sagt Knabe. Die Pastorentochter hatte sich zu DDR-Zeiten auf ihre naturwissenschaftliche Karriere konzentriert, und es war zu vermuten, dass sie zumindest bei einigen der einstigen Unangepassten aneckt. Tatsächlich erwarten etwa 30 Demonstranten die Kanzlerin bei ihrer Ankunft vor dem Gefängnis. Es sind DDR-Flüchtlinge, die sich von der für sie gültigen Rentenregelung diskriminiert fühlen.

Merkel sucht auf Anraten Knabes das Gespräch mit den Demonstranten und sichert ihnen zu, sich mit dem Thema zu beschäftigen. „Sie hat so getan, als ob sie das Problem nicht kennt“, sagt einer der Demonstranten, Siegfried Ulrich. Die Ausgereisten und Freigekauften sind auch nach dem Gespräch noch skeptisch – aber überrascht vom offenen Ohr der Kanzlerin.

Autor: afp

Neustadt/Spree: Nähen für die Nachhaltigkeit

Nähen für die Nachhaltigkeit Während Franziska Rühlicke (36) aus Zerre während des ersten Upcycling-Workshops im Garten der Spinnerei in Neustadt/Spree alte Stoffstücke zu einem Loop zusammennäht, gibt Kursleiterin Juliane Bränzel (34) ihr hilfreiche Tipps. Foto: Anja Guhlan/ang1

Juliane Bränzel aus Görlitz, die leidenschaftlich gerne näht und auch mit den Initiatoren der Spinnerin in Neustadt befreundet ist, hat zum ersten Mal ihre Erfahrungen im Upcycling-Nähen in einem Workshop an Interessierte weitergegeben. Liebevoll hat sie im Garten der Spinnerei in Neustadt/Spree alles aufgebaut. Tische mit Stühlen für die Nähmaschinen, ein Zelt, wo die alten Stoffe lagern, falls jemand keine alten Stoffe mitbringen konnte und Bücher, die Ideen und Inspirationen geben sollen, was aus den alten Stoffen Neues gezaubert werden könnte.

Drei Teilnehmerinnen sind zu dem ersten Workshop gekommen. Franziska Rühlicke aus Zerre ist eine von ihnen. Sie hat sich einen alten Rock mitgebracht. „Aus dem würde ich heute gerne einen Loop nähen“, erzählt sie. Juliane Bränzel freut sich über die genauen Vorstellungen der Kursteilnehmerin. Das Problem: Im Nähen ist Franziska Rühlicke noch etwas ungeübt. „Das sollte kein Problem sein. Dieser Workshop ist auch für ungeübte Näher ausgelegt“, sagt Juliane Bränzel und lächelt. Die 34-Jährige erklärt der Kursteilnehmerin noch mal die Nähmaschine, lässt sie ein paar Mal zur Probe nähen. Dann geht es los: Franziska Rühlicke trennt Nähte ihres alten Rockes auf, zerschneidet den Stoff in Stücke, um ihn später für den Loop aneinander zu setzen und wieder zusammenzunähen. Juliane Bränzel ist öfters an ihrer Seite, um ihr Tipps zu geben. „Ich finde den Workshop hier richtig toll. Zu Hause finde ich kaum Zeit für das Nähen. Zudem bin ich sehr ungeduldig, wenn mal was nicht klappt. Hier bekommt man gleich die nötigen Tipps und die Hilfe“, sagt die 36-jährige Kursteilnehmerin. Am Ende des vierstündigen Kurses ist ein schöner Loop entstanden, den sich Franziska Rühlicke umhängen kann.

Für Juliane Bränzel ein gutes Ergebnis. „Es ist einfach schön, wenn man aus alten Sachen, die man ansonsten weggeworfen hätte, um sich vielleicht neue Sachen zu holen, wieder neue Lieblingsstücke kreiert“, sagt Juliane Bränzel, der es wichtig ist, aufzuzeigen, wie einfach Nachhaltigkeit ist. „Wir leben heute in einer Welt voller Überfluss. Da können wir allesamt ein paar Ressourcen schonen“, argumentiert Bränzel. Die 34-Jährige näht seit ihrem neuntem Lebensjahr. Vor etwas zwei Jahren hat sie sich ganz intensiv dem Upcycling-Nähen gewidmet. Besonders für ihr Kind hat sie viele neue Kleidungsstücke aus alten Stoffen nähen können. Ob Hose, Oberteil oder für sich selbst eine Gürteltasche für den Garten. „Es ist auch schön, selbst kreativ zu werden und mit der Nähmaschine aus bunten Stoffen etwas Einzigartiges zu zaubern. Am Ende sind das ja alles Unikate“, bemerkt Juliane Bränzel.

Obwohl Upcycling nur ein moderner Begriff ist und die Praxis des Wiederaufwertens eigentlich schon seit Jahrhunderten stattfindet, stört sich Juliane Bränzel nicht an dem Begriff. „Solange es Gutes bewirkt, soll man es nennen, wie man es will“, meint sie. Auf jeden Fall will sie ihren Workshop im Upcycling-Nähen fortsetzen. „Der Auftakt ist gelungen. Vielleicht planen wir im nächsten Jahr mit der Spinnerei wieder einen Workshop“, zieht Juliane Bränzel ihr Fazit.

Zum Thema:
Beim Upcycling werden Abfallprodukte oder scheinbar nutzlose Stoffe in neuwertige Produkte umgewandelt. Erstmalige Erwähnung findet der Begriff im Jahr 1994 in einem Artikel der britischen Zeitung Salvo, in dem ein Ingenieur sich für Baustoffrecycling ausspricht und meint „Was wir brauchen ist Up-Cycling, bei dem alte Produkte einen höheren Wert erhalten“. Durch den Schwund natürlicher Ressourcen und durch den gesellschaftlichen Wandel gewinnt das Upcycling weiter an Bedeutung.

Monika Dicken bringt auch Jungs zum Nähen

Grevenbroich. Aus ausrangierten Materialien oder neuem Stoff fertigt Monika Dicken Textilien. Ihr Können vermittelt sie in Kursen bevorzugt an Kinder. Von Valeska von Dolega

Der erste Kontakt mit Nadel und Faden war für Monika Dicken „eine Katastrophe. Es war so schrecklich, was ich damals nähen musste“, erinnert sie sich an ihre Schulzeit. Schürzen, die nicht attraktiv waren, altmodisches Zeug, das keiner brauchte, sollte sie damals anfertigen.

Zu Studienzeiten – Monika Dicken war für Sonderpädagogik mit Schwerpunkt Freizeitpädagogik und Rollstuhlsport eingeschrieben – während der 1980er Jahre lebte sie in einer Wohngemeinschaft. Eine ihrer Mitbewohnerinnen war eine alleinerziehende Mutter. Über Latzhosen mit Spaghetti-Trägern, Taschen jenseits üblicher Formen und Kleider mit besonderem Tragekomfort fand sie im zweiten Anlauf ein ganz besonderes Hobby.

Und als sie dann von ihrem Patensohn, inzwischen 26 Jahre alt, gebeten wurde, bitte etwas für dessen Freundin zum Kuscheln zu nähen, und auch andere Freunde immer wieder ihre Fähigkeiten als Nähkünstlerin erbaten, stellte sie die Weichen, ihr Hobby professionell zu betreiben. Das liegt jetzt etwa zehn Jahre zurück. Längst gibt sie ihr Wissen in Kursen an der Jugendkunstschule oder der Volkhochschule weiter. Materialkunde, Schnittmuster erstellen und „Fachwörter, die bislang sieben Siegel trugen“ zu entschlüsseln gehören zum Einstieg dazu. „Sie ist die Beste“, lobt Gabriel, einer der bei der Grevenbroicherin den Umgang mit Unterfaden, Spule und Zickzackstich erlernte. „Denn sie erklärt nicht alles auf einen Schlag“, genau das sei „wichtig, Anfängern mit spielerischen Elementen den Umgang mit Maschinen – das ist das A und O – näher zu bringen. „Ich kann nicht nähen“ sei ein oft gehörter Vorwand, der sich im Nu als falsch herausstelle. „Unter Anleitung basteln sich die Schüler aus Stoff alles Mögliche. Decken, Taschen und andere „Gebrauchsgegenstände, nie Stehrümchen“. Vier Maschinen nennt sie ihr eigen, „die ,Pfaff 9′ ist 60plus wie ich“, jede unterscheidet sich in ihrer Bedienung und kann unterschiedliche Stoffe mit schnurgeraden Nähten versehen.

Sie selbst ist die „totale Resteverwerterin“, nicht nur für Patchwork-Decken arbeitet sie lauter Stückwerk. „Restposten zu etwas Neuem zu machen ist meine Leidenschaft“, umschreibt sie das Neudeutsche Upcycling. Ihrer Meinung nach lohnt sich die Zweitverwertung bei allem, so werden aus Gardinenstoffen Taschen oder der zerrissenen Jeans Miniröcke. Textilien fabriziert sie gerne in Kooperation mit Claudia Schäfer, einer befreundeten Schneidermeisterin. „Da kann ich mir Tricks abschauen“ und bin „mehr die Assistentin“.

Handarbeiten sind längst wieder en vogue. Diese alten Fähigkeiten zu beherrschen, machen laut Monika Dicken nicht nur „Spaß, sie sind wichtig für die geistige Entwicklung“. Außerdem fördern sie die Konzentrationsfähigkeit. „Und am Ende sind immer alle stolz, was sie da selbst gemacht haben.“

Quelle: NGZ

Goldpreis: Aufwärtspotenzial noch nicht ausgeschöpft

Seit einigen Wochen befindet sich er Gold im Aufwind. Ein Anfang Juli gestartet Anlauf auf das Konsolidierungstief vom 05. Mai 2017 bei 1.214 Dollar ist knapp gescheitert. Im Anschluss daran wurde der langfristige Abwärtstrend bei 1.260 Dollar überschritten.

Darüber hinaus brach das Edelmetall auf täglicher Basis über die obere Flaggenbegrenzung bei 1.263 Dollar. Deshalb sind neue Höchstkurs über 1.300 Dollar sehr wahrscheinlich. Das kalkulatorische Kurspotenzial beträgt noch knapp 50 Dollar und harmoniert bestens mit dem Hoch vom 11. September bei 1.337 Dollar.

Mit Blick auf die technischen Indikatoren scheint dieses Kursziel durchaus realistisch. Denn auf Wochenbasis geben die Indikatoren keinen Anlass zu großen Sorgen. RSI und Stochastik steigen unter hoher Dynamik. Gleichzeitig sind die überkauften Bereiche beim RSI noch sehr weit entfernt. Unterstützung kommt auch vom trendfolgenden MACD. Dieser hatte jüngst ein positives Schnittmuster erzeugt.

Voraussetzung für weitere Gewinne ist aber ein Sprung über das Bewegungshoch vom 6. Juni bei 1.295 Dollar. Danach liegen die nächsten charttechnischen Widerstandsmarken in Form des 76,4% Fibonacci-Retracements und dem Hoch vom 07. November bei 1.322 und 1.337 Dollar.

Erste, wichtige Chartunterstützung liegt bei 1.260 Dollar. Hier verläuft der oben besagte Abwärtstrend. Danach kann es weiter abwärts auf das wichtige Tief vom 26. Juli bei 1.243 Dollar gehen.

gold

Trend und Therapie: Die Kraft der Maschen | Nachrichten aus Gelsenkirchen, der Heimat von Schalke 04

Feldmark.   Gut ein Dutzend älterer Damen des Senioren-und Pflegeheims Schmidtmannstraße frönt dem Häkeln und Stricken. Was die Handarbeit bewirkt.

Handarbeit ist seit längerem schwer in Mode. Nicht nur, seitdem prominente Frauen wie Moderatorin und Autorin Sarah Kuttner zu Stricknadeln greifen. Das Schneidern in Gemeinschaft entspannt und führt Häkelnde und Strickende zusammen. Psychologen sehen im Stricken deshalb das neue Yoga. Stricken ist aber nicht nur Balsam für die Seele: Es ist auch Training fürs Gehirn. Neben manueller Koordinationsfähigkeit sind die Talente eines Managers gefordert: gestalterische Ideen und schnelle Problemlösungen.

Beispiel gefällig? Bitte sehr: „1 Randm., 3 M. re., * 3 M. auf einer Hilfsnadel vor die Arbeit legen, 3 M. re., die M. der Hilfsnadel re., ab * fortlf. wiederholen. Die Reihe endet mit 3 M. re., 1 Randm.“ Alles klar? Nicht, dann ein kleiner Tipp: M steht für „Masche“. Man sieht also: Schon beim Befolgen von unter Laien und Anfängern als schier undurchdringlich geltenden Strickanleitungen kommt es auf Vorstellungskraft und Logik an.

Mit 95 Jahren das Stricken wiederentdeckt

Margarete Wiemer lächelt beim Anblick der Kürzel nur gelassen. Sie liest aus den vermeintlichen Hieroglyphen wie aus einem offenen Buch – und das mit stolzen 95 Jahren! „Wie Stricken geht, hatte ich eigentlich vergessen“, sagt die Seniorin und lässt dabei Nadeln und Wolle geschickt durch die Hände gleiten. Jetzt ist die Erinnerung wieder wach. Um nicht zu sagen: hellwach. „Ich arbeite gerade an einer Babygarnitur“, erzählt sie und deutet auf das flauschige Etwas zwischen ihren Fingern. Prompt unterbricht die Dame ihre Arbeit, schnappt sich ihren Rollator und stellt sich vor den großen Tisch in Model-Pose. An ihm knüpfen gerade zehn betagte Frauen ebenso eifrig ihre Maschen: „Chic, nicht wahr“, fragt die 95-Jährige keck und strahlt.

Margarete Wiemer trägt eine lange beige Strickweste mit echt kompliziertem Maschenmuster. „Selbstgemacht“, erzählt sie stolz, gut drei Monate habe sie dafür gebraucht. Schwupps, kramt sie auch schon im Körbchen ihrer Gehhilfe herum und präsentiert das nächste gute Stück, dieses Mal einen roten Poncho. „Herrlich warm und weich. Zwei Wochen Arbeit.“ Die 95-jährige Margarete Wiemer ist die älteste von zwölf bis 15 Strickladys im städtischen Senioren- und Pflegeheim an der Schmidtmannstraße in der Feldmark. Dienstags sitzen sie immer im Foyer zusammen, auf den Tischen vor ihnen türmen sich bunte Wollknäuel sowie allerlei dünne und dicke Häkel- und Stricknadeln. Die Damen reden angeregt über ihre neusten Entwürfe, aufwendige Schnittmuster und den nötigen Maschenanschlag. Und natürlich auch – über Gott und die Welt.

Training und Treff in einem

„Wir wollen Freude bereiten, den Austausch untereinander anregen und die Konzentration fördern. Die Menschen sollen nicht auf den Tod warten, sondern mit Freude leben im Alter“, erklärt Hausleiterin Kathrein Dworzak die Idee dahinter. Dazu kommt, wie eingangs erwähnt, ein therapeutischer Ansatz. „Stricken und Häkeln trainiert die Kleinmotorik“, sagt Elisabeth Flisinski, Gerontosozialtherapeutin. Und ganz nebenbei auch die „grauen Zellen“, denn die vielen verschiedenen Handwerkstechniken erfordern viel Konzentration – das gilt selbstverständlich nicht nur für die Generation 60 plus.

Gegründet wurde die muntere Strickrunde nach einer Wollspende durch Petra Mashöfer, die Kontakt zum Seniorenheim hatte. Gefragt, ob sie nicht Lust hätte, die Gruppe zu betreuen, gab es für sie „kein Zögern“. Auch nicht für Ulrike Grzella, die hier ihre Tante regelmäßig besucht. Für die ehrenamtlichen Helferinnen ist das eine „erfüllende Aufgabe, eine Herzensangelegenheit“, die mit einem dankbaren Lächeln belohnt wird.

Freude empfindet auch Anna Rump, ehemals als Schneiderin tätig. Ihr Wissen um Technik und Schnitte teilt die 92-Jährige bereitwillig mit den anderen. Gern auch mit Neulingen aus der umliegenden Nachbarschaft, wenn sie denn mögen – ob Kinder, Anwohner – ganz gleich. Strickweste, Mütze und Schal für ihre Urenkelin Lara“ (6 Monate) formt sie aktuell in Wollmaschen.

Verkauf auf dem Weihnachtsbasar

Darüber hinaus mit den anderen Frauen des Strickclübchens Mützen, Taschen, Etuis, Handschuhe, Westen, Pullis oder Schals, die durch den Verkauf im Basar des Seniorenheims zigfach als Geschenk unter dem Tannenbaum landen. Und hier schließt sich der Kreis. Bei der Freude über das anschmiegsame Ergebnis – Stricken und Häkeln sind für sie und viele andere mehr als nur eine „coole“ Masche.

Kontakt zum Seniorenheim und zum Strick- und Häkelclub über Kathrein Dworzak unter der Rufnummer 0209 40 91 229, oder per Mail an dworzak@pflegeheime-gelsenkirchen.de

>> Moderne Heimstatt für 104 Menschen

Das Senioren- und Pflegeheim an der Schmidtmannstraße bietet 104 alten und pflegebedürftigen Menschen ein Zuhause – sowohl mit Einzel- als auch mit Doppelzimmern.

Das Heim verfügt über vier Häuser. Die Einrichtung wurde zwischen 2010 und 2013 größtenteils kernsaniert. Ein großer barrierefreier (Sinnes-)Garten befindet sich im Hof.

Quelle:

www.waz.de

Hauptsache, die Nähmaschine rattert | Südwest Presse Online

Er kennt sie alle: Pfaff, Singer, Adler, Bernina, Husqvarna oder Elna. Die ganz alten aus dem 18. Jahrhundert mit Fußbetrieb genauso, wie die neuen mit Elektromotor. Reinhold Kraft gilt in Dietenheim als der Nähmaschinen-Experte schlechthin. „Sie sind mein Leben, schon immer“, sagt er. Die erste nahm er als Bub mit gerade mal acht Jahren auseinander. Weil der Junge flugs alle Einzelteile der Singer wieder richtig zusammenbauen konnte, verzichtete der Papa auf die angedrohten, schmerzhaften Schläge mit dem Lederriemen. Denn die Nähmaschine sicherte das Einkommen für die Familie des Sattlers, damals in den 1930er Jahren im bitterarmen Russland.

Werkstatt im Keller

„Es ist mein Hobby. Ich verlange dafür nichts“, versichert Kraft beim Stichwort Einkommen. Von überall her aus der Umgebung kommen Leute zu ihm, kaputte Maschinen im Gepäck. Auch mit 91 Jahren mag Kraft keinen Bittsteller ablehnen. „Ich freue mich ja, dass die Leute nicht sofort alles wegwerfen“, sagt er. Wäre das der Fall, so würde dieser hochwertige Müll ziemlich sicher wieder bei ihm landen, zumindest jener aus Dietenheim. Denn der rüstige Rentner ist Stammgast auf dem städtischen Wertstoffhof. Jeden Mittwoch und Samstag kommt er mit seinem Dreirad angefahren. Immer bereit für einen freundlichen Plausch und immer auf der Suche nach alten Nähmaschinen samt Zubehör. „Er ist stets der Erste, der am Tor steht. Wenn er mal nicht kommt, machen wir uns Sorgen“, erzählt Michael Strohmayer. Keine Frage, dass das Team vom Wertstoffhof alles zurücklegt, was dem talentierten Bastler bei seinem Hobby nützen könnte.

Im Keller seiner kleinen Senioren-Wohnung hat sich Kraft sein Reich eingerichtet. Dort stapeln sich die defekten Geräte. Eines nach dem anderen nimmt sich Kraft vor. Bei der einen Maschine klemmt das Spulrad, bei der anderen stimmt die Fadenspannung nicht, die dritte hat Probleme mit dem Ringgreifer. „Meistens fädeln die Leute falsch ein“, weiß der Nähmaschinen-Doktor. Kraft kennt das Innenleben sämtlicher Modelle aus dem Eff-Eff und die Macken derselben auch. Er hat sich spezielles Werkzeug angefertigt, um Muttern und Schräubchen, Greifer und Schiffchen besser fassen zu können. Hat ihn der Ehrgeiz erst gepackt hat, kann er viele Stunden über einer defekten Maschine hocken. Dann schimpft seine Frau Amalie mit ihm, denn das Licht in der dunklen Keller-Ecke ist nicht das beste. „Der macht seine Augen bloß noch mehr kaputt!“ Doch gegen diese Leidenschaft kommt die Ehegattin nicht an. „Ich bin jeden Tag in meiner Werkstatt“, sagt Kraft. Nur sonntags ist Pause.

Der „Mechanisator“

Als die Universität Ulm vor einem Jahr in Dietenheim ein Nähcafé eröffnete, ging Kraft das Herz auf. Freudig stellte er sich bei den zuständigen Damen vor und stattete die Einrichtung gleich mit zwei guten Nähmaschinen aus. Mittlerweile sind es zehn, und Kraft ist regelmäßiger Gast. „Wann immer wir Probleme haben, kommt er und hilft“, schwärmt Uni-Mitarbeiterin Anja Hirscher. „Man kann sich 100-prozentig auf ihn verlassen.“ Das antike Ölkännchen und das Uralt-Maßband aus der Kraft’schen Werkstatt haben im Stoff-Regal einen Ehrenplatz erhalten.

Krafts Dienste nahm auch schon der frühere evangelische Pfarrer Paul Varga in Anspruch. Auf seinen Fahrten nach Rumänien hatte er oft Nähmaschinen im Gepäck. Auch Hilfskonvois nach Sibirien, Weißrussland und in die Ukraine stattet Kraft immer wieder mit Maschinen aus. Nähmaschinen sind seine Leidenschaft, doch kennt sich Kraft auch mit Bohr- und Schleifgeräten, mit Bagger, Bulldog und Baukran aus. Bevor er 1991 als Aussiedler nach Dietenheim kam, schuftete er drei Jahrzehnte lang als „Mechanisator“ in Usbekistan. Alles konnte der Mann fahren – und reparieren. Dienste, die nach dem verheerenden Erdbeben von Taschkent 1966 besonders gefragt waren.

Eine Ausbildung konnte Kraft nie machen. Das bedauert er bis heute. „Alles, was ich weiß, habe ich mir im Selbststudium angeeignet“, erzählt er. Schweren Herzens versetzte der Vater irgendwann die geliebte Nähmaschine, damit etwas zu essen auf den Tisch kam. Und für den kleinen Reinhold Kraft begann mit elf Jahren die Schufterei in der Kolchose. Dabei wäre der Bub doch so gerne Schneider geworden.

Quelle:

www.swp.de